Augsburg, 21.04.2007 ( pca ) . Die positive wirtschaftliche Entwicklung hat einen schwerwiegenden Schönheitsfehler. „Die wachsende Armut in Deutschland ist nach wie vor eine Realität und sie wird sich nicht so schnell in unserer Gesellschaft erledigen“, machte Prälat Peter C. Manz, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e.V., vor der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrates am Samstag in Augsburg sehr deutlich. Manz befürchtet darüber hinaus, dass der soziale und politische Friede in Deutschland langfristig gefährdet sein könne. „Wir müssen deshalb die gesellschaftliche Solidarität in unserem Land neu definieren“, forderte der Caritasdirektor. An die Pfarrgemeinden appellierte er nachdrücklich, sich der Armut und der armen Menschen anzunehmen, „ansonsten verlieren sie einen wichtigen Anschluss an die Entwicklung in der Gesellschaft“. Sowohl Augsburgs Bischof Dr. Walter Mixa , der an der Vollversammlung des höchsten diözesanen Laiengremiums teilnahm, als auch die Vollversammlung unterstützen Manz in seinem Appell.
Besondere Sorge bereiten Manz die rund 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Deutschland, die von Armut betroffen sind. Dabei bestehen unbestritten ein direkter Zusammenhang zwischen Kinder- und Bildungsarmut sowie Arbeitslosigkeit. Die Folgen einer solchen Fehlentwicklung hätte man 2005 in Frankreich miterleben dürfen, als arbeitslose Jugendliche durch Gewalt auf ihre chancenlose Situation aufmerksam gemacht hatten. Auch einzelne Wahlergebnisse in Deutschland, bei denen rechtsgerichtete Gruppierungen einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnen konnten, stimmen Manz nachdenklich. Deshalb forderte er, dass der Grundsatz „qualifizieren statt subventionieren“ in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft konsequent in die Tat umgesetzt werden.
Manz unterstrich seine kritische Sicht der gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung mit zahlreichen Beispielen. Der Wirtschaftsaufschwung schließe nach wie vor Langzeitarbeitslose und die Gruppe derer mit „mehrfachen Vermittlungsschwierigkeiten“ wie z.B. Bildungs- und Ausbildungsschwäche aus. Laut verschiedener Prognosen könnten selbst auf einem gut funktionierenden Arbeitsmarkt nur 10 % der jetzigen Arbeitslosen unterkommen. Auch die Schere zwischen arm und reich werde weiter aufgehen. Während die reichsten Deutschen zwischen 1993 und 2003 ihr Geldvermögen um 40% steigern konnten, hätte sich das Vermögen der Geringverdienenden, die etwa 25% der Bevölkerung darstellen, im gleichen Zeitraum halbiert. Die Einkommensarmut sei in den Jahren von 1999 bis 2005 von 12% auf 17% gestiegen. Der Armutsanteil der Personen mit Niedrigeinkommen wachse. Die Arbeit der Caritas-Sozialberatungsstellen im Bistum Augsburg spiegele diese Entwicklung deutlich wider. So sei der Beratungsbedarf im Zusammenhang mit finanziellen Notsituationen in den vergangenen vier Jahren regional unterschiedlich um zwischen 30% bis 75% gestiegen. Manz erinnerte auch daran, dass 500.000 bedürftige Menschen in Deutschland regelmäßig Lebensmittelhilfen von den Tafelläden erhalten.
Für die alten Menschen in der Zukunft konnte Manz auch kein rosiges Bild zeichnen. 36% der Bevölkerung werden im Jahr 2050 60 Jahre und älter sein. Zwei Drittel davon werden ihren Lebensstandard absenken müssen, ein Drittel werde in Armut leben. Insbesondere Frauen werden davon betroffen sein. Verschärft werde die Situation der künftig älteren auch dadurch, dass Deutschland nach den Worten des Migrationswissenschaftlers Klaus durch die Auswanderungswelle ausblute. 2006 sollen bis zu 250.000 Menschen Deutschland auf der Suche nach besseren Jobperspektiven verlassen haben. „Die Migration ins Ausland, aber auch die Folgen einer erheblichen Migration innerhalb Deutschlands auf der Suche nach Arbeitsplätzen hat auch erhebliche Folgen auf der Versorgung der älteren Generation“, unterstrich der Augsburger Diözesan-Caritasdirektor vor dem Katholikenrat. Vor dem Hintergrund der von ihm genannten sozialen Problemlagen vermied Manz nicht eine kritische Anmerkung zu dem milliardenschweren Zukunftsprogramm von Ministerpräsident Edmund Stoiber. Er hätte sich gewünscht, dass die sozialen Herausforderungen in dessen Zukunftsprogramm einen breiteren Raum eingenommen hätten.