Aichach, 21.12.2011 ( 
pca 
). Elfriede H. geht zum Einkaufen. Wie jede Hausfrau 
nimmt sie ihren Einkaufszettel heraus und geht durch den Supermarkt. Sie liest 
genau bei der Auslage nach, ob sie die richtigen Lebensmittel wählt. An der 
Kasse prüft sie nach, ob sie nichts vergessen hat, was auf ihrem Einkaufszettel 
steht. Für die meisten ist diese Situation völlig normal. 
 
 
Für Elfriede H. auch, es war aber 
nicht immer so. Elfriede H. ist geistig behindert und arbeitet in den  
Ulrichswerkstätten 
 (UWA) der Caritas in Aichach. Dass sie 
lesen und dadurch auch am ganz normalen Alltagsleben teilhaben kann, das 
verdankt sie einem besonderem Angebot in der Aichacher UWA. 
 
 
Die Caritas-Mitarbeiterin Pauline 
Widmann bietet nämlich dort Lese-, Schreib- und Rechenkurse im Rahmen der 
allgemeinen Fördermaßnahmen an. „Eine unersetzliche Leistung der  
Ulrichswerkstätten 
 für die gesellschaftliche Inklusion unserer 
Betreuten“, betont Wolfgang Harter, der Leiter der Werkstätten in Aichach. „Viele 
können schon lesen, haben aber kein Textverständnis“, sagt Widmann. Traurig 
stimmt sie aber noch mehr, dass viele nach dem Förderschulunterricht immer noch 
nicht lesen können. 
 
 
Widmanns Büro ist eine große 
Sammlung von unterschiedlichsten Lehrmaterialien für Lese- und 
Grammatikübungen, Rechenübungen und –spielen. Das reicht von Schulbüchern für 
die erste bis dritte Klasse bis hin zu einer Sammlung von Asterix-Comic-Magazinen 
und Büchern. 
 
 
70 Betreute zählt die 
Caritas-Mitarbeiterin jedes Jahr, die zu ihr in die Kurse kommen. Für Anfänger 
nimmt sie sich jeweils fünfzehn Minuten Zeit. Jeder von ihnen erhält eine 
eigene Lesemappe. Sie haben Einzelunterricht. Fortgeschrittene 
   
erhalten Gruppenunterricht. Bis zu drei Personen 
sitzen dann bei Widmann um den Tisch herum. Für sie dauert der Unterricht 30 
Minuten. Mit ihnen übt sie auch die Rechtschreibung und etwas Grammatik. Die 
Unterrichtszeiten sind bewusst so kurz angelegt. „Die Konzentration lässt 
nämlich bald nach.“ 
 
 
Alexander H., er arbeitet im 
Metallbereich mit, kommt freudestrahlend zu ihr. Ebenso Frank D. und Simone W., 
beide im Bereich Lettershop tätig. Sie lesen das Comic-Magazin ‚Asterix, der 
Gallier’. Sie haben Spaß daran. Alexander liest zügig. Mit dem Finger streicht 
er an den Zeilen entlang. „Beim  
Teutates 
“, spricht er 
deutlich aus. Auch unbekannte Wörter wie „ 
Sesterz 
“ 
bringt er fehlerfrei über die Lippen. Man hört gerne zu. Doch Widmann 
unterbricht ihn. „Was bedeutet das?“ Alexander weiß. Ein  
Sesterz 
 
ist ein Geldstück der Gallier. Und  
Teutates 
? Hier 
erklärt Widmann, dass es sich hierbei um einen Namen aus der gallischen 
Götterwelt der Antike handelt. „Mir geht es auch um Textverständnis. Erst dann 
macht ja Lesen richtig Spaß“, sagt die Caritas-Mitarbeiterin. Vieles wird bei 
ihr gelesen. Nicht nur Asterix. Gerne nimmt sie Wilhelm Buschs Geschichten wie 
auch die Wissensbücher für Kinder aus der Reihe „Weißt du das?“ zur Hand. Mit 
ihren Schülerinnen und Schülern, die bereits ein sehr gutes Textverständnis 
haben, liest sie auch Bücher des israelischen Satirikers Ephraim Kishon. 
 
 
Frank D. bleibt nach dem 
Leseunterricht sitzen. Bei ihm folgt an diesem Tag das Rechnen. Auch Widmann 
ist voll dabei. ‚Mathe’ macht ihr selber viel Spaß. Am Gymnasium hatte sie 
Mathematik im Leistungskurs und wollte einmal sogar dieses Fach studieren. „Rechnen 
verlangt Verständnis, ist also eine kognitive Leistung, die ich nur bis zu 
einem bestimmten Punkt durch Üben erlernen kann.“ So würfelt sie mit Frank D. 
und verliert dabei gegen ihn viel Spielgeld. Frank D. rechnet es jedes Mal 
selbst aus. Spielerisch erlernen dabei ihre Schülerinnen und Schüler das 
Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren, „auch mit  
mehrstelligen 
 Dezimalzahlen“, sagt Widmann stolz. Und wenn 
es im Kopfrechnen nicht so klappt, „ja dann, weise ich sie darin ein, wie man 
mit Taschenrechnern rechnet.“ 
 
 
Viel Geduld und Ausdauer beweist 
Widmann. Größere Fortschritte zeichnen sich manchmal erst nach Jahren ab. Aber 
die Geduld lohnt sich: „Ich bin unheimlich glücklich, dass ich lesen lernen 
darf: Und Pauline ist meine beste Freundin, weil alle mich aufgegeben hatten, 
sie aber nicht“, sagt Brigitte R., ebenfalls eine Betreute in der UWA Aichach.  
  
 
 
                