Augsburg, 15.01.2012 ( 
pca 
). 
Es sieht schlecht aus für das gesellschaftliche Miteinander der 
unterschiedlichen Milieus unserer Gesellschaft, auch für die Erfolgschancen der 
Kirchen, alle Milieus mit ihrer pastoralen Arbeit zu erreichen. So ist es 
zumindest, wenn man Prof. Dr.  
rer.pol 
. Carsten 
Wippermann folgt. Er lehrt Soziologie an der Katholischen 
Stiftungsfachhochschule München und entwickelte die Sinus-Milieu-Studie mit 
seinem  
DELTA-Institut 
 weiter. „Das sprachliche 
Kapital und die Bedeutung von Sprache unterscheiden sich derart, dass ich 
pessimistisch bin, ob die Menschen über die Milieugrenzen hinweg sprachlich 
wirklich erreicht werden können.“ Wippermann stellte sein Milieumodell beim 
Studiennachmittag vor, zu dem das Akademische Forum der Diözese Augsburg, der 
Augsburger Diözesan-Caritasverband und die Katholische Jugendfürsorge eingeladen 
hatte. 
 
 
An den Werten Solidarität und Gerechtigkeit zeigte 
er auf, wie unterschiedlich das jeweilige Verständnis inzwischen ist. Während 
Traditionsbewusste in der Solidarität ein Bollwerk gegen Egoismus sehen, 
erachten 
   
Konservative und Etablierte es 
als wichtig, vor Missbrauch der Solidarität zu warnen. Die Bürgerliche Mitte 
bezieht Solidarität auf Gleichgesinnte. Für die effizienzorientierten und 
kulturell flexiblen  
Performer 
 ist Solidarität frei 
wählbar und jederzeit kündbar. Und die Benachteiligten sehen sich als Empfänger 
von Solidarität. Auch beim Begriff der Gerechtigkeit zeigen sich deutliche 
Unterschiede. Die Benachteiligten sprechen von Leistungs- und 
Bedürfnisgerechtigkeit, die Bürgerliche Mitte von Chancengerechtigkeit und die 
Konservativen wie auch die Etablierten davon, dass Ungerechtigkeit zum Leben 
gehöre.
 
 
Besondere Sorge macht sich Wippermann über das 
Milieu der Benachteiligten, immerhin 16 Prozent in unserer Gesellschaft. Sie 
würden sich wegen der fehlenden Aufstiegsperspektiven ins eigene soziale Umfeld 
zurückziehen und aktiv ausschließen. Hinzu kommt, dass nach seinen Studien das 
Milieu der Benachteiligten das einzige sei, in das die Kinder wieder 
hineinsozialisiert werden. Da andere Milieus keinen eigenen Zugang zum Milieu 
der Benachteiligten hätten, gebe es auch keine Berührungen zu ihnen. 
„Solidarität wird zu einer abstrakten Form.“ 
  
 
 
 
Thomas Becker, der bis 2009 die Katholische 
Sozialethische Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz leitete und an der 
früheren Sinus-Milieu-Studie mitarbeitete, sieht wie Wippermann große 
Schwierigkeiten für die Kirchen, über ihren eigenen milieu-bedingten Tellerrand 
hinaus andere Milieus wie zum Beispiel die Benachteiligten tatsächlich zu 
erreichen. „Die kirchlichen Akteure von heute kleiden sich und denken im Stil 
der 1980er Jahre und meinen in der Entwicklung der Modernität ganz vorne zu 
sein.“ Wer allerdings alle Milieus erreichen möchte, müsse sich als Kirche oder 
Verband die Frage stellen, wer angestellt wird, um noch etwas von der heutigen 
Modernität tatsächlich mitzubekommen und auf alle Menschen zugehen zu können. 
Die Kirchengemeinden verortet Becker vorwiegend bei den Traditionsbewussten, 
die ein modernes Harmoniemilieu pflegen.
 
 
Als Schubladen dürften die Milieus nicht gewertet 
werden, warnen Wippermann und Becker. „Sie sind Lesehilfen.“ Die Studie helfe 
die anderen wahrzunehmen und auch bescheiden zu werden, denn es gibt viele 
andere Lebensrhythmen, die für die Kirchen attraktiv sind. Beobachtungen 
innerhalb der Caritas, so Becker, der selbst Vorstand der Caritas im Kreis 
Soest ist, zeigten, dass trotz einer völligen Unterschiedlichkeit der Milieus 
von Mitarbeiter und einem Benachteiligten ein gutes und fruchtbares Miteinander 
entstehen kann, wenn man die Benachteiligten einfach als Menschen mag und sich 
auf sie einlässt, und sich nicht wünscht, andere Klienten vor sich zu 
haben. 
                                           
 
 
 
 
 
 
 
Infos 
zu den Milieus:
 
 
Lebensstil, 
soziale Lage und Lebensorientierung prägen die Milieus.
 
 
 
 
Konservative 
(4%)*
 
 
 
             
Ur-Impuls: Bewahren und 
Weitergeben
 
 
Etablierte 
(5%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: Erfolg haben und 
Führung übernehmen
 
 
Postmaterielle 
(9%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: Widerständig sein 
und Welt verbessern
 
 
Traditionelle 
(15%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: In Harmonie 
eingebunden sein 
 
 
Bürgerliche 
Mitte (18%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: In der Gesellschaft 
ankommen und modern sein
 
 
Benachteiligte 
(16%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: Mithalten und 
teilhaben
 
 
 
Performer 
 
 
 (14%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: Weiterkommen 
 
 
 
Expeditive 
 
 
 (8%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: 
Aufbrechen/Ausprobieren
 
 
 
Hedonisten 
 
 
 (11%)
 
 
 
             
Ur-Impuls: Spaß haben
 
 
 
 
* 
Anteil an der Bevölkerung
 
 
 
 
                