Augsburg, 23.072009 (pca). Der
Statistik zufolge entwickeln drei Prozent aller Mädchen und Frauen und in
steigender Zahl auch Männer im Laufe ihres Lebens eine Essstörung. Für den Raum
Augsburg sind das rund 4.000 Menschen. Das Projekt Schneewittchen der SOS Jugendhilfen
Augsburg sowie die Caritas Suchtberatungs- und Behandlungsstelle Augsburg
bieten für diese Menschen unterschiedliche Hilfen angefangen von Information
und Prävention, Beratung, Angehörigenarbeit, Motivationsgruppen,
Therapievermittlung und Nachsorge an.
Doch nicht nur die Fachleute sind
gefragt. „Eltern, Familienangehörige, Freunde, Lehrer und Ausbilder sind
gefordert“, so Barbara Habermann von der Beratungsstelle der Caritas bei einem
gemeinsamen Informationsabend der Caritas und
der Katholischen Erwachsenenbildung. „Je
früher diese Erkrankung erkannt wird, umso günstiger ist die Prognose zur
Gesundung.“ Habermann und ihre Kollegin Edith Girstenbrei-Wittling appellierten
deshalb an das soziale Umfeld von Menschen mit Essstörungen, „nicht
wegzuschauen, sondern zu handeln.“
Viele Eltern und Partner machen
sich oft Vorwürfe und suchen bei sich die Schuld für die Essstörung. Die Folge
ist Scham, weshalb man das Problem lieber verschweigt. „Das nützt niemandem“,
so Girstenbrei-Wittling. Die Schuldfrage sei auch unsinnig, weil eine
Essstörung auf viele Gründe zurückgeführt werden kann. Dazu gehören
gesellschaftliche Einflüsse wie z.B. der Schönheitskult in den Medien, eine
genetisch bedingte höhere Verletzbarkeit (
Vulnerabilität
),
chronische Belastungen sowie biologische Veranlagung.
Sechs Tipps gaben deshalb Girstenbrei-Wittling
und Habermann den Eltern, Familienangehörigen und Partnern. Es gelte zunächst
sich selber zu informieren, auch sich selbst Hilfe zu holen und sich vielleicht
auch mit Fachleuten auszutauschen. Dann müsse man die Betroffenen mit seiner
Beobachtung konfrontieren und das Problem klar benennen. „Die Betroffenen
warten oft darauf, angesprochen zu werden“, so Girstenbrei-Wittling. Sehr
häufig fragten sich die Erkrankten insgeheim, so die Erfahrung der Referentin, was
sie denn noch alles unternehmen müssten, um wahrgenommen zu werden. Als dritten
Schritt müssen klare Regelungen dafür gefunden werden, ob und wie das
gemeinsame Essen gepflegt wird. „Ehrlichkeit und Offenheit sind hier wichtig,
ansonsten taugen die Regelungen nichts.“ Viertens gelte es, jegliche
Heimlichkeiten zu vermeiden, d.h. alle Familienmitglieder sind einzubeziehen.
Dadurch entstehe nicht nur ein Verhaltensgerüst zur Orientierung. „Betroffene
erlernen dadurch eine neue Bewältigungsstrategie, die ihnen hilft, von ihrer
bisherigen – nämlich der Essstörung – wieder allmählich loslassen zu können“,
so die Beraterin der Caritas.
Girstenbrei-Wittlings
fünfte Empfehlung lautete: „Sorgen
Sie auch für sich und leiden Sie nicht mit.“ Das sei kein Egoismus oder gar
Gefühlskälte. Indem die Angehörigen für sich etwas Gutes tun und das vorleben,
„übernehmen sie eine Vorbild- und Modellfunktion, weil an Essstörungen leidende
Menschen sich schwer tun, für sich selbst zu sorgen.“
Wenn alle anderen Hilfsversuche
gescheitert sind und das Leben der betroffenen Person bereits gefährdet ist,
dann müsse man eine Zwangsbehandlung einleiten. „Das kann aber nur der letzte
Versuch sein“, sagte Habermann.
Info:
Essstörungen umfassen im
Wesentlichen die Mager-, die
Ess-Brech-
und
die Esssucht. Sie sind erkennbar am massiven
Gewichtsverlust und einer ständigen Beschäftigung mit Nahrungszubereitung
(Magersucht), Heißhungeranfällen mit anschließendem Erbrechen, depressiven
Stimmungen und möglicherweise leichten Kratzwunden an den Händen (Ess-Brechsucht)
und Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie einer
deutlichen Gewichtszunahme (Esssucht).
Diesen drei Formen der Essstörungen
ist gemeinsam, dass die soziale Kommunikation mit dem Umfeld zunehmend gestört
ist, weil die an der Krankheit leidenden Personen sich zunehmend in ihre Welt
zurückziehen.
Folgeerkrankungen können sein: Karies, Haarausfall, Herz-Kreislaufprobleme, Störungen des Elektrolythaushaltes bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen