Augsburg, 05.03.2009 ( pca ) . Immer häufiger begleiten Hospizhelfer an Demenz erkrankte Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Verständnis und Verstehen sind gefordert. 160 ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter der ambulanten Hospizdienste im Bistum Augsburg nutzten deshalb die Chance, sich beim Begegnungs- und Fortbildungstag der Hospizgruppen in der Diözese Augsburg zu informieren und sich in Arbeitsgruppen fortzubilden. Eingeladen dazu hatte der Augsburger Diözesan-Caritasverband. Ein Gewinn für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war der Vortrag des Psychogerontologen Dr. Dieter Hofmann von der Fachschule für Altenpflege in Coburg. Er verstand es, in seinem lebendigen, mitunter humorvollen Vortrag, aber auch mit seinen tiefgründigen Wortspielen den Hospizhelfern den Kern ihrer Aufgabe in der Begleitung von dementen Menschen nahe zu bringen, nämlich sich auf ihre Realität einzulassen und sich mit ihnen auf eine „Ge(h) meinschaft “ zu begeben.
Hofmann erläuterte zunächst, was im Gehirn des betroffenen Menschen stattfindet, um sehr schnell auf Grundsätze des Verhaltens gegenüber Dementen zu kommen. Alte Menschen, die an Demenz erkranken, verlören zunächst das Abstraktionsvermögen, das in der Hirnrinde angesiedelt sei, und damit ihre auch selbstreflektierte Identität. In dieser Phase würden die Betroffenen oft rabiat reagieren, „denn sie kämpfen um ihre eigene Identität“. Das Gedächtnis schwinde und damit sein Wissen, was ihn ausmache, so Hofmann.
Nach dem Verlust dieses Abstraktionsvermögens funktioniere aber noch das „Bindungs- und Beziehungsgehirn“, das im Zwischenhirn angesiedelt sei. „ Demente Menschen“, unterstrich Hofmann, „sind gefühlsintelligent“ und seien durchaus in der Lage Gefühle zu zeigen. Man müsse deshalb mit ihnen „emotional aufrichtig“ umgehen.
Demente Menschen neigen in dieser Phase auch dazu, das Verhalten des Gegenüber widerzuspiegeln. Wenn man selbst gestresst auf die betroffene Person einwirken wolle, „wird dies zurückgespiegelt und der demente Mensch verhält sich genauso gestresst“. Die wiederholte Aufforderung „Trinken Sie halt was“, führe nur dazu, dass geblockt werde. Wenn man sich aber dazu setze, von dem Getränk schwärme, dann werde die Person dieses Verhalten „widerspiegeln“ und in Ruhe trinken. „Locken, sonst werden sie blocken“, sagte Hofmann.
Zu bedenken gilt laut Hofmann auch, dass diese Menschen nach wie vor hören können. Umso wichtiger sei es deshalb, mit einer ruhigen und warmen Stimme mit ihnen zu reden, um ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Der Ton mache ja bekanntlich die Musik. „Der Inhalt ist gar nicht so wichtig.“ Man müsse sich „ dement-sprechend “ verhalten und sich in den „Zeitstrudel ihrer Welt“ begeben. Für Demente sei es nämlich sehr wertvoll, „das Ich und Du zu spüren.“ „Man ist dort zuhause, wo man verstanden wird“, erinnerte Hofmann an das Wort des deutschen Dichters Christian Morgenstern (1871 – 1914).
Der Psychogerontologe beließ es allerdings nicht bei theoretischen Erläuterungen. „Man kann nicht zu dementen Menschen in einem Heim sagen, sie seien hier daheim und gleichzeitig um den Tisch herumlaufen und servieren, ohne sich dazu zu setzen. Das macht man ja auch nicht zuhause.“ Hofmann hinterfragte auch die gängige These, dass demente Menschen nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden könnten. Er erinnerte in seinem Vortrag daran, dass die heute alten betroffenen Menschen in ihrer Kindheit gelernt hätten, nachts das Licht auszumachen, um Strom zu sparen. In den Einrichtungen bleibe aber immer zumindest ein Dämmerlicht brennen. Das erinnere aber an den Tag und führe zu dem nächtlichen aktiven Verhalten.
Jeder, der demente Menschen in Einrichtungen pflegt oder als Hospizhelfer begleitet, müsse nach Hofmann „ein Mensch mit Herzensbildung sein, der das Herz auf der Zunge trägt, viel und spontan lachen kann sowie eine Engelsgeduld hat. „90 Prozent dieser Arbeit sind eine Frage der Haltung, nur zehn Prozent eine Frage des Wissens“, unterstrich auch Dr. Margarethe Beck, die beim Augsburger Diözesan-Caritasverband das Fachgebiet Hospiz leitet. „ Demente Menschen brauchen Menschen, die sich ihnen individuell zuwenden und ganz für sie da sind.“ Pfarrer Dr. Andreas Magg, Direktionsassistent des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg, hatte bereits in seiner Begrüßungsansprache daran erinnert, dass der Gott der Christen ein Freund des Lebens ist, „unabhängig davon, was der Mensch kann oder ist“.